Montag, 1. November 2010

Ein paar Fragen


Dienstag, 19. Oktober 2010

Ich spreche heute live zu euch aus einer rustikalen Hütte in Spencertown, New York, ungefähr zweieinhalb Stunden Autofahrt nördlich von New York City mitten in der weiten Wildnis zwischen New York und Montreal.

Es ist unglaublich wie plötzlich alle Anzeichen menschlicher Zivilisation komplett verschwinden sobald man außerhalb von New York City ist. Nun, gut. Vielleicht nicht komplett. Aber es ist schon ein massiver Kontrast. Ungefähr eineinhalb Stunden aus der Stadt raus musste ich pinkeln wie verrückt. Ich fuhr auf der Taconic State Schnellstraße und ich schwöre bei Gott es ließen sich nicht mal Tankstellen dort finden. Wo waren sie alle abgeblieben? Wo bekommen die Leute, die die Taconic Schnellstrasse runterfahren Benzin her? Was ist überhaupt ein Taconic? Ist das ein Zustand der Schnellstraße? „Es tut mir Leid meine Dame, aber ich fürchte ihre Schnellstrasse ist taconisch“.

Wie auch immer, ihr seht, dass Sock Monkey [Sockenaffe] hier bei mir ist. Er hat sich während ich in New York war aus dem Staub gemacht. Scheinbar – und diejenigen die ihn fanden erzählten mir das, ich habe es nicht erfunden – war er dabei einen mechanischen Bullen zu reiten. Was für ein wilder Affe! Ich habe ihn für ungefähr drei Tage verloren und war tatsächlich ziemlich traurig darüber. Ich bin mir dessen durchaus bewusst, dass er ein lebloser Gegenstand ist. Sogar Sock Monkey selbst gibt das zu. Doch es ist schon seltsam wie man an einem Stoffier hängen kann besonders wenn man so viel mit ihm gereist ist.

Ich kehre zurück nach Montreal nach fünf Tagen in New York, wo ich eine Büchersignierstunde und ein zweitägiges Retreat hatte. Leute fragen mich immer Sachen wie „Wie war das Retreat?“ und ich finde es schwierig zu beantworten. Es war gut. Es war laut, da es im East Village war mit hämmernden Presslufthammern und heulenden Sirenen. Aber ich bin das urbane Zazen mittlerweile gewöhnt und das bringt das Gebiet nun mal mit sich.

Ein paar coole Leute tauchten auf, das war cool. Keiner Starb. Niemand wurde ernsthaft verletzt. Ich nehme an wenn ich Genpo Roshi wäre hätte ich allen Erleuchtungs- Erfahrungen geben können. Aber der bin ich nicht. Also hab ich's gelassen. (Irgendjemand hat einen Link zu einem netten Podcast gepostet welches Genpo abfällig erwähnt, aber ich finde es nicht mehr. Vielleicht kannst du es nochmal posten?)

Es ist seltsam das zu tun was auch immer es ist das ich tue. Im Grunde tue ich das was mein Vater die vergangenen zwanzig oder so Jahre getan hat, ich bin Handelsreisender. Mein Vater verkauft Chemikalien in der Gummiindustrie. Ich verkaufe Bücher. Aber wir machen so ziemlich dasselbe. Wir steigen in ein Auto und fahren ganz, ganz, ganz weit um mit Leuten zu reden. Komisch wie das so geht.

OK. Ich habe gesagt ich würde Fragen die Leute mir senden beantworten. Also los geht’s.

Nach all deinen treffenden Beobachtungen bezüglich der Gefahren von „Lehrern“ die von ihren Schülern Geld annehmen als Gegenleistung für das Lehren, finde ich es etwas verwunderlich, dass Du nun anbietest:

Damit es sich ein wenig so anfühlt als bekäme der Leser etwas für sein Geld werde ich anfangen mehr von den Fragen zu beantworten dir ihr da draußen mir sendet.“

Das ist ganz klar deine Entscheidung, aber es scheint keine gute Idee zu sein.

Ich habe den Donate-Button nicht gedrückt um deine Aufmerksamkeit zu bekommen, ich möchte nur, dass du weiterhin deine Arbeit machen kannst.

Das wirft ein paar Themen auf. Erstens wollte ich nicht den Donate-Button in direkte Verbindung mit dem beantworten der Fragen bringen, als ob man mich für das Fragen beantworten nun bezahlen könnte. Ich kann aber verstehen wie es so rüberkommen konnte. Allerdings war das sarkastisch gemeint. Außerdem bin ich viel zu verpeilt um rauszutüfteln wer Fragen gesendet hat und wer gespendet hat und das dann zu verknüpfen. Also selbst wenn das mein Ziel wäre, ich würde versagen.

Die Idee für das Lehren von Zen Geld zu akzeptieren ist schon ein wenig problematischer. Ich habe bereits gesagt, dass ich dazu neige meine eigene Unklarheit auf dem Gebiet so zu regeln in dem ich mich hauptsächlich als Schriftsteller betrachte. Schriftsteller werden für’s Schreiben bezahlt. Jedenfalls werden sie das wenn sie Glück haben. Ich fühle mich nicht schlecht dabei Geld zu nehmen für das was ich schreibe. Ich fühle mich nicht schlecht dabei von jemandem bezahlt zu werden der mich für einen Vortrag zu meinen Büchern engagiert hat. Da ich hauptsächlich über Buddhismus schreibe macht das meine Position dazu etwas zwiespältig. Aber ich komme damit klar.

Ich glaube nicht, dass es eine sehr gute Idee ist seinen Lebensunterhalt als Zen-Lehrer zu bestreiten. Aber ich glaube nicht dass es falsch ist für Zen-Lehrer ihr Lebensunterhalt als Zen-Lehrer zu bestreiten. Die Versuchung das Gelehrte zu verwässern um mehr Ärsche auf die Stühle zu bekommen ist sehr groß wenn es um den Unterschied zwischen Miete bezahlen können oder auf die Strasse gesetzt zu werden geht. Du könntest sogar eine Masche probieren bei dem reiche Leute dir 50.000 € bezahlen damit du ihnen sagst sie seien erleuchtet.

Das wäre die extrem dunkele Seite davon. Die etwas weniger dunkele Seite wäre, dass durch das Annehmen von Geld für Zenunterricht man den Schülern die Botschaft sendet, dass sie das Recht haben zu bestimmen wie man ihnen Zen zu unterrichten hat.

Davon abgesehen müssen Zen-Lehrer immer noch essen und ihre Miete bezahlen und sie sollten über die dafür notwendigen Mittel verfügen. Wenn eine Person sein ganzes Leben dem Lehren von Zen widmet, wie soll er seinen Lebensunterhalt finanzieren wenn nicht durch das Annehmen der Unterstützung seiner Schüler? An und für sich ist nichts Übles daran.

Darum versuche ich so weit wie möglich die Schriftstellerseite von der Lehrerseite zu trennen. Obwohl sie sich miteinander vermischen. しょうがないな?

Nächste Frage:

Ich sitze seit 3 Jahren täglich und ein Jahr lang habe ich mich intensiv auf mein erstes Koan fokussiert; „Was bin ich?“. Es wurde wirklich interessant doch musste ich es aufgeben da ich fühlte, dass Energien in meinem Körper/Geist außer Kontrolle gerieten. Es gab diesen vibrierenden Punkt der gelegentlich in meinem Kopf vibrierte und es fühlt sich an als ob es in die falsche Richtung geht oder sowas.

Also heutzutage sitze ich einfach und fokussiere mich auf den Körper und das fühlt sich gut und geerdet an. Aber besonders in Stresssituationen geht der Fokus zum Kopf und beginnt mit Klängen zu vibrieren.

Was denkst Du zum Beispiel über das Hara? Mir wurde immer gesagt ich sollte mich auf das Hara konzentrieren, nur habe ich nie gelernt wie. Ich bin mir unsicher was ich machen soll bezüglich Fokussieren des Geistes.

Einfach nur Sitzen und den Körper spüren fühlt sich gut an und auch eine leichte Konzentration auf den unteren Rücken. Vielleicht sollte ich einfach so weitermachen?

Shikantaza-Zazen in seiner reinsten Form hat keinen besonderen Punkt der fokussiert wird. Ich weiß, dass viele Lehrer sagen man soll sich auf das Hara oder Tanden konzentrieren welches im Grunde eine Stelle irgendwo etwas unterhalb deiner Brust bedeutet. Aber meine Lehrer haben das nie gelehrt und ich habe es nie gemacht.

Wenn ich sitze, sitze ich wirklich einfach. Wohin auch immer meine Aufmerksamkeit geht, geht sie einfach. Das Einzige was ich bewusst mache ist immer darauf zu achten das meine Haltung korrekt ist. Ich versuche nicht zu sehr Dinge zu bedenken.

Dogen benutzte die Worte 無思料 (mushiryou) und 非思料 (hishiryou) um zu beschreiben was während des Zazen mit dem Geist getan werden soll. 思料 (shiryou) wird in Zenbüchern oft mit „denken“ übersetzt. Die Bestimmungswörter (mu) and (hi) beschreiben verschiedene Stufen der Negierung. In Mike Cross und Nishijima Roshis Übersetzung des Shobogenzo ist 無思料 (mushiryou) „nicht denken“ und 非思料 (hishiryou) ist „verschieden von denken“ im Sinne von gänzlich anders als denken.

Dennoch wird dir jedes Japanisch/Deutsch Wörterbuch sagen, dass 思料 (shiryou) „Überlegung“ bedeutet. „Denken“ ist für gewöhnlich 考える (kangaeru). So glaube ich nicht, dass Dogen wollte, dass wir alles Denken anhalten und unsere Gehirne komplett verstummen lassen sollten. Er sagte mehr so etwas wie, dass wir es vermeiden sollten, uns aktiv mit den verschiedenen Gedanken die in unseren Köpfen auftauchen zu befassen.

Sich auf das Hara zu konzentrieren scheint mir das Gegenteil von dem zu sein. Es ist eine Art bewusste Überlegung. Du „überlegst“ deinen Bauch. Dasselbe gilt für Atemzählen. Und es ist insbesondere dasselbe wie ein Koan zu benutzen. Das erscheint mir absolut zweifelsfrei eine Form des Überlegens und definitiv nicht im Geringsten das wovon Dogen sprach.

Puuh! Das war wesentlich mehr Arbeit als ich angenommen hatte.

Aber sendet weiterhin eure Fragen an askbradwarner@hotmail.com und ich werde mein Bestes tun sie zu beantworten ob ihr nun gespendet habt oder nicht.

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