Montag, 21. Juli 2008

Das Leben ist häßlich, warum nicht Selbstmord begehen?*

In meinen Artikeln für Suicide Girls (dt.: Selbstmord-Mädchen) habe ich mich oft mit Mädchen befasst, aber selten mit Selbstmord. Letzte Woche hat ein Freund von mir einen Selbstmordversuch unternommen, aber Gott sei Dank ohne Erfolg. Vor 25 Jahren hat es ein anderer Freund erfolgreich versucht, und das geht mir noch immer an die Nieren. Als ich in Chicago lebte, spielte meine Band immer in einem Schuppen namens „Batteries“, der von Jim Ellison von der Band Material Issue gebucht wurde. Ich war ziemlich fertig, als ich herausbekam, dass er sich 1996 das Leben genommen hatte. Ihr Song „Valerie Loves Me“ wurde in einem Club gespielt, den ich diese Woche besuchte, was mich nur noch stärker dazu veranlasste, über Selbstmord und seine Konsequenzen nachzudenken. Ich kannte einige Leute, einschließlich eines Onkels und eines Arbeitskollegen, die langsamen Selbstmord begingen, indem sie sich selbst zu Tode tranken. Und ich selbst war auch ziemlich nahe daran, die Tat zu begehen.

Wir führten oft lange philosophische Debatten am Küchentisch des Punk-Hauses in der Nähe des Akroner Krankenhauses, wo fast jeder aus der Szene Tag und Nacht abzuhängen schien. Während einer dieser Debatten stimmten fast alle der Behauptung zu, dass der Suizid eine vertretbare Möglichkeit ist und dass es dem Individuum alleine obliegt, zu entscheiden, ob es ihn begeht oder nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich der Einzige war, der nicht zustimmte. Aber ich war bestimmt in der Minderheit. Ich glaube, dass viele „alternative“ Leute so ähnlich denken wie meine Freunde damals und Selbstmord für eine akzeptable Option halten.

Intellektuell gesehen ist es einfach, ein überzeugendes Argument dafür zu finden, dass Selbstmord niemanden außer der Person, die ihn begeht, etwas angeht. Aber in der Praxis, im echten Leben, ist das nie der Fall. Selbstmord hat eine zerstörerische Wirkung auf jeden, dessen Leben von einer Person berührt wird. Es ist egal, welch ein einsamer Wolf du bist, es gibt Leute, denen du etwas bedeutest, und es ist nie leicht, wenn sich Leute, die dir etwas bedeuten, umbringen. Mein Freund Iggy, der sich 1983 aufhängte, schien absichtlich seine Freundin verletzen zu wollen, die ihn kurz zuvor verlassen hatte. . Aber sie verließ ihn, weil es für sie der einzig mögliche Weg war, ihn zur Beschäftigung mit seinem Alkoholismus und seiner allgemeinen Destruktivität zu zwingen. Ich gebe ihr nicht die Schuld. Ich hätte dasselbe getan. Was er machte, war unglaublich fies und gemein. Und ich denke nicht, dass es seine Probleme wirklich löste.

Die meisten Religionen verbieten Selbstmord und stellen denen, die sich das Leben nehmen, fürchterliche Bestrafungen in der nächsten Welt in Aussicht. Ich bin sicher, dass sich beim Durchgraben der buddhistischen Literatur irgendeine Abwandlung davon auffinden ließe. Es muss irgendwo einen Sutra- oder Vinaya-Text geben, der angibt, welche zukünftige Inkarnation jene erwartet, die Selbstmord begehen. Aber ich kenne ihn nicht, da ich ein ziemlich lausiger buddhistischer Gelehrter bin. Das alleine sagt aber schon etwas aus. Denn, selbst wenn solch ein Text existiert, wird die Sache nicht großartig hervorgehoben. Es gibt eine Reihe wissenschaftlicher Artikel über das Thema im Internet. Hier ist einer. Hier ist ein anderer. Und hier ist noch einer.

Die vietnamesischen Buddhisten, die sich selbst angezündet haben, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren, sind sehr bekannt. Eine Zeitlang schien dies einer der nachhaltigsten Eindrücke zu sein, den die breite Öffentlichkeit im Westen vom Buddhismus hatte. Die Leute auf dieser Seite des Planeten hatten bereits von ihren frühen Gelehrten erfahren, dass der Buddhismus eine nihilistische Religion sei, voll von Gerede über Leiden und Leere. Daher war es vermutlich keine große Überraschung von Buddhisten zu hören, die sich selbst auslöschten. Der Buddhismus ist aber nicht nihilistisch. Und ich denke nicht, dass die Typen irgendjemandem einen Gefallen damit taten in Flammen aufzugehen.

Ich bin allgemein nicht besonders an den Ergebnissen der Forschung oder an der Massenmeinung interessiert. Ich habe die Artikel, die ich verlinkt habe, überflogen, habe sie aber nicht eingehend studiert. Es ist interessant, die Geschichte zu kennen, aber nicht wirklich notwendig. Im Buddhismus geht es meiner Meinung nach mehr um unsere eigene Erfahrung als um tradierte Erkenntnisse. Meine eigene Erfahrung lehrt mich, dass der Suizid keine vertretbare Option ist. Er kann die Probleme, die er lösen soll, absolut nicht lösen und verursacht eine Menge unnötiges Leiden und Kummer.

Menschen bringen sich um, um ihrem Leiden ein Ende zu bereiten. Ian Curtis hat es getan, um sein Leiden wegen seiner Ehe und seiner Finanzen zu beenden. Pete Ham brachte sich um, weil er wegen des Schicksals von Badfinger, der weltbesten Power-Pop Band, litt. Kurt Cobain brachte sich um, um sein Leiden wegen all der Bauchschmerzen zu beenden. Natürlich sind das alles grobe Vereinfachungen. Aber es ist klar, dass all diese Leute, genau wie alle anderen, die sich je das Leben nahmen, dies getan haben, weil sie den Selbstmord als einen Weg aus dem Leiden heraus ansahen. Es ist sicher nicht etwas, das man nur so zum Spaß macht.

Aber die Vorstellung, dass der Selbstmord dein Leiden beendet, kommt von dem Glauben, dass du und die Welt, in der du lebst, zwei verschiedene Dinge sind. Du glaubst, dass du diese Welt und damit das Leiden hinter dir lassen kannst. Aber meine Sicht nach Jahren der Zazen-Praxis ist, dass das nicht stimmt. Ich habe lange Zeit damit verbracht, die Grenzlinie zwischen dem, was ich als „mich“ bezeichne, und dem, was ich „Rest der Welt“ nenne, verschwimmen und verschwinden zu sehen. Ich bin nicht länger sicher, wo die trennende Linie ist. Mich beschleicht sogar der Verdacht, dass dieser Buddha-Typ möglicherweise richtig gelegen hat, als er sage, dass sie gar nicht existiert. In der Tat hatte ich ein paar Momente, in denen diese offenbar lächerliche Vorstellung sich mir derart aufgedrängt hat, dass ich sie nicht verleugnen kann.

Daher geht das, was ich hier zu sagen habe, etwas weiter als die alte “The Show must go on”-Tour, wo Leute argumentieren, dass du deinen Freunden und deiner Familie gegenüber die Verantwortung trägst, dich nicht in die Luft zu jagen und dein Gehirn ins Treibhaus hinaus zu schleudern. Du hast eine Verantwortung gegenüber dir selbst und sogar vor dem Universum als Ganzem, es nicht zu tun. Selbst wenn der Selbstmord das unmittelbare Problem löst, indem er eine miese Beziehung beendet oder deinen Bauchschmerzen ein Ende setzt, schwappt das Leiden, von dem du glaubtest, es gehöre dir alleine, wie eine Welle auf Teile des Universums über, die du als von dir getrennt zu betrachten gelernt hast. Für mich ist es unmöglich zu glauben, dass selbst die Person, die stirbt, nicht in einer gewissen Weise nach dem Selbstmord genauso weiter leidet wie zuvor. Ich glaube nicht länger, dass es möglich ist, diese Welt zu verlassen. Und weiter will ich darüber nicht spekulieren. Alles was ich über die Mechanismen sagen könnte, die daran beteiligt sind, dies zu ermöglichen, wäre bloß ein Haufen stinkender Gehirnfürze. Dennoch habe ich ein tiefes und unerschütterliches Gefühl, dass es stimmt.

Wie auch immer, bitte vergebt mir die Düsternis dieses kleinen Artikels. Was mein Freund letzte Woche getan hat, hat mich stark nachdenklich gemacht. Also, Leser von Hinsetzen, Klappe Halten, bringt euch nicht um! Das Leben ist schön, warum sich nicht stattdessen gesund ernähren?*

* Der Titel des Artikels kommt von einem Punkrock Compilation Album, das etwa 1979-1980 von New Underground Records veröffentlicht wurde. Darin sind Titel von den Descendents und Red Cross enthalten. Ich hätte gerne eine Pressung davon oder von seinem Nachfolger „Life Is Beautiful So Why Not Eat Health Foods“.