Sonntag, 25. Juni 2006

Begegnungen mit erleuchteten Wesen

In der Nähe meiner Wohnung gibt es einen New-Age-Buchladen namens „The Bodhi Tree“. Ab und zu schaue ich da vorbei und überfliege das Sortiment. Dort habe ich tatsächlich schon einige ziemlich gute Bücher gefunden, Übersetzungen alter Sutren und solche Sachen. Aber den meisten Platz in den Regalen nehmen Bücher ein, in denen verschiedene Autoren von ihren Begegnungen mit erleuchteten Wesen berichten. Diese Begegnungen sind immer ganz außergewöhnlich und mystisch. Der Autor wird dabei stets durch die tiefe Weisheit dieser wundervollen Wesen für immer verwandelt.

Leider waren meine eigenen Begegnungen mit erleuchteten Wesen nicht ganz so angenehm. Besonders ein erleuchteter Meister[1] aus irgendeinem Ort in Kanada hat mich in letzter Zeit im Rahmen verschiedener Blogs ziemlich übel beschimpft. Offenbar ist seine Erleuchtung auf einem viel höheren Niveau als ein Speichellecker wie ich es jemals zu erreichen hoffen dürfte. Ich habe das Auftreten dieses Typen in den letzten Jahren beobachtet, und wenn sich erleuchtete Meister so verhalten wie er, dann kann man der Welt nur wünschen, dass es so wenige wie möglich von ihnen geben möge. Ich jedenfalls habe ganz sicher nicht die Absicht, einer von ihnen zu werden.

Aber meine Begegnungen mit ihm waren nicht meine ersten unangenehmen Zusammenstöße mit erleuchteten Wesen, und ich bezweifle, dass es meine letzten gewesen sein werden. Er hat tatsächlich vor kurzem von noch einem anderen erleuchteten Wesen im Internet Konkurrenz bekommen, das behauptet, eine Erleuchtungsstufe erreicht zu haben, die meiner bei weitem überlegen ist. Dieser andere Mann der Erleuchtung schickt mir so gar Drohungen per e-Mail. Da kommt Freude auf…

Als mein Buch vor einigen Jahren veröffentlicht werden sollte, brachte ein sehr berühmtes erleuchtetes Wesen, das viele Bücher über Erleuchtung und den Weg dorthin geschrieben hatte, ernsthafte Bedenken über die Inhalte und die möglichen Auswirkungen meines Buchs zum Ausdruck. Der Verlag, der mir die Veröffentlichung in Aussicht gestellt hatte, schickte diesem Typen sogar aus Sorge ohne meine Zustimmung das unveröffentlichte Manuskript, in der Hoffnung, seinen Segen für das Buch zu bekommen. Sein Urteil: Brad hat keine Makel, die ein Jahr Meditations-Retreat nicht geradebiegen könnte. Einer seiner Retreats vermutlich, wo er mir die wahre Bedeutung von Erleuchtung näher bringen würde. Jawohl, Sir, wird gemacht, Sir! Ich bin dabei! – Puh! Letzten Endes entschied ich mich, nicht mit diesem Verlag zusammenzuarbeiten. Aber ich frage mich, ob das Interesse der Leute bei diesem Verlag an meinem Buch abgekühlt wäre, wenn es im Urteil von Mr. Erleuchtung durchgefallen wäre.

Ein anderes erleuchtetes Wesen, das ich mal getroffen habe, wurde später in einen Mordfall verwickelt...

Wie man sich vorstellen kann, beeindrucken mich Leute, die von sich behaupten, sie seien erleuchtet, heutzutage nicht mehr besonders.

Ich kann wirklich nicht verstehen, warum diese erleuchteten Wesen sich so sehr von mir bedroht fühlen. Besonders, weil ich selbst nie den Anspruch erhoben habe, erleuchtet zu sein. Genauer gesagt habe ich immer das Konzept „Erleuchtung“ überhaupt abgelehnt. Vielleicht ist das das Bedrohliche. Es ist, als würde man laut aussprechen, dass der Kaiser nichts anhat. Abgesehen davon, wenn Du tatsächlich erleuchtet bist, wie könnte dann überhaupt irgendwas bedrohlich sein? Warum sollte man dann die eigene Erleuchtung immer wieder betonen? Wozu sollte man sich dann auf Spekulationen darüber einlassen, wie sehr und auf welche Weise ein Anderer erleuchtet oder nicht erleuchtet ist? Müsste ein erleuchtetes Wesen nicht sehr viel selbstsicherer bezüglich seines absoluten Wissens sein? Vielleicht würde ich das alles verstehen, wenn ich selbst erleuchtet wäre...

Vielleicht sind die erleuchteten Wesen, denen diese Autoren begegnet sind, anders als die, die mir über den Weg gelaufen sind. Das ist gut möglich. Aber es ist genauso gut möglich, dass viele von denen, die behaupten, erleuchtete Wesen zu sein, sich gegenüber denen, die vor ihnen katzbuckeln und ihnen zu Füßen sitzen, um ihre Weisheit aufzusaugen, ein bisschen anders verhalten als gegenüber denen, die skeptisch sind.

Aber obwohl ich gesagt habe, dass es Erleuchtung überhaupt nicht gebe, ist es nicht so, dass ich gar nicht an Erleuchtung glauben würde. Ich weiß, dass das bestimmt wie eine Zeile von Spinal Tap klingt.[2] Aber es ist nicht so, dass Erleuchtung nicht existiert. Es ist nur so, dass ich das, was viele Leute als „Erleuchtung“ bezeichnen, einfach in keiner Weise als ... nun ja, erleuchtend ansehe.

Erleuchtung ist kein Zustand. Sie ist keine Erfahrung, die dir widerfährt und nach der alles, was du sagst oder tust in Ordnung ist, weil du ja schließlich ein erleuchtetes Wesen bist und es deshalb in Ordnung sein muss. Nein, so funktioniert das nicht. Erleuchtung ist Tätigkeit. Erleuchtung ist nicht etwas, das man erfährt. Sie ist nicht etwas, das du besitzt und das andere, unerleuchtete Leute nicht haben. Erleuchtung ist etwas, das du tust. Darum hat Dogen gesagt, dass Zazen an sich schon Erleuchtung ist. Wenn du dich wie ein Buddha verhältst, dann ist dieses Verhalten, diese Handlungsweise, Erleuchtung. Wenn du dich aber wie ein Arschloch benimmst, naja...

[1] Ich bitte darum, zu beachten, dass ich keines dieser erleuchteten Wesen namentlich identifiziert habe. Wenn ihr unbedingt eure Zeit damit verschwenden müsst, darüber zu spekulieren, wer gemeint ist, dann erwähnt bitte keine Namen in den Kommentaren. In Ordnung? Diese Typen machen mir schon so genug Ärger.
[2] Zum Beispiel sagte Nigel Tufnel von Spinal Tap in einem Interview mal: „Wir sagen nicht: ‚Liebe deinen Nächsten.’ Wir meinen das auch nicht. Aber die Message sollte klar sein.“