Freitag, 26. November 2010

結跏趺坐 oder warum das neue Shobogenzo die zweitbeste Übersetzung ist

Dienstag, 09 November 2010

Vorab etwas Logistisches. Solltest du in Los Angeles sein hast du eine weitere Chance mich Reden zu hören. Morgen (Sonntag 14. Nov. 2010) werde ich im Bodhi Tree bookstore 8585 Melrose Avenue West Hollywood, CA, USA um 19 Uhr einen Vortrag halten.

Die Leute von der Dogen Sangha Los Angeles haben ein paar Videos von mir zusammengeschnitten und haben sie auf dem Dogen Sangha Los Angeles YouTube Kanal hochgeladen. Da kommen demnächst noch mehr dazu.

Mein neuestes Buch Sex, Sin, and Zen: A Buddhist Exploration of Sex from Celibacy to Polyamory and Everything in Between ist von einer Webseite namens Religious Bulletin zum religiösen Buch mit der schlechtesten Einbandgestaltung nominiert worden. Juhu! Hoffentlich gewinne ich, weil dann kann ich „Preisgekrönter Autor“ auf mein nächstes Buch drucken lassen.

Soeben habe ich einen neuen Artikel auf dem Suicide Girls' Safe For Work Blog veröffentlicht. Er heißt Desire und du kannst es finden in dem du auf das Wort „Desire“ in diesem Satz hier klickst.

Und wo wir gerade von Suicide Girls reden, ich werde morgen nacht in ihrer Radio-Show sein. Für mehr Einzelheiten dazu klick genau hier!

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Letztes Wochenende war ich im San Francisco Zen Center (SFZC) um an einem Event zur Feier der Veröffentlichung von Kazuaki Tanahashi's Übersetzung der kompletten 95 Kapitel des Shobogenzo teilzunehmen.

Wenn du sehen möchtest was ich dort gesagt habe gehe zu diesem Link und spule vor zu 36:26 min.

Diese neue englischsprachige Ausgabe des Shobogenzo ist im Wesentlichen die San Francisco Zen Center Edition des Shobogenzo. Sie besitzen die Urheberrechte, sie stellten den größten Teil der Finanzierung für das Projekt und 32 Priester vom SFZC fungierten als Co-Übersetzer von dem jeder im Schnitt ein bis drei Kapitel bearbeitet hat.

Natürlich wurde während der Feierlichkeiten an diesem Wochenende von einigen behauptet dies sei die beste englische Übersetzung des Shobogenzo. Und selbstverständlich behaupteten diejenigen die an anderen englischen Übersetzungen mitgearbeitet haben oder, wie in meinem Fall, mit den Übersetzern assoziiert sind, dass unsere die Beste sei. Es wurde zu etwas wie ein Running Gag. Wenn du das Video von meinem Vortrag am Samstag schaust, siehst du mein Beitrag zu diesem Gag. Ich war die Vierte oder Fünfte Person die diesen Witz an diesem Tag brachte. Aber es war eigentlich kein Witz.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt sagte Kaz das jede Übersetzung auf ihre Art die Beste sei. Jede liefere einmalige und wertvolle Perspektiven. Eine sehr diplomatische Stellungnahme! Und wahr. Ich bin mir sicher er hat es genau so gemeint.

Ich habe bisher noch nicht viel vom Tanahashi Shobogenzo gelesen. Ich habe ein paar Kapitel gelesen als ich den Sommer über in Tassajara war und ein paar weitere seit ich mir eine Ausgabe gekauft habe (150 Dollar, autsch! Und das war mit einem Rabatt!). Ich bin kein Experte darin so wie mit der Nishijima/Cross Ausgabe, welche ich mindestens vier mal von Vorne bis Hinten durchgelesen habe und meine Lieblingsteile vielleicht ein dutzend mal oder mehr über die ich ja selber ein Buch verfasst habe (siehe Link unten). Jedoch würde ich selbst bei dieser Ausgabe in Verlegenheit geraten, wenn ich nach Kapitel und Vers zitieren soll.

Dennoch fühle ich mich sicher wenn ich behaupte, dass Tanahashi Shobogenzo ist die zweitbeste erhältliche Version, nach der von Gudo Wafu Nishijima und Chodo Cross, welche immer die Beste sein wird (was ein großes Lob ist von jemandem der so wählerisch ist wie ich, was auch immer das wert sein mag). Ich bin vertraut mit früheren Versionen von Tanahashis Übersetzungen die in Büchern wie „Moon In a Dewdrop“ und „Enlightenment Unfolds“ erschienen sind. In den paar Jahren in denen es schwierig war eine Kopie der Nishijima/Cross Ausgabe zu bekommen habe ich desöfteren die Tanahashi Bücher empfohlen. Ich fühlte, dass sie dem Original am Nächsten waren. Jetzt findet man die Nishijima/Cross Version leicht online (Links siehe unten).

Der Hauptgrund der die Nishjima/Cross Version zur besten macht, ist weil sie das original japanische Shobogenzo so treu wiedergibt dass es schon fast zu viel ist. Selbst Dogens seltsame Wortreihenfolge wurde so weit möglich erhalten. Dies bedeutet es verliert einiges in Sachen Lesbarkeit. Aber nun, das ist auch so in Dogens Original. So sollte es auch sein. Es war nie dazu gedacht leicht zu lesen zu sein.

Der andere große Vorteil der Nishijima/Cross Ausgabe sind die umfangreichen Fußnoten auf jeder Seite. Alle obskuren Referenzen Dogens auf altertümliche chinesische Schriften werden zur Verfügung gestellt. Und jedes mal wenn ein japanisches Wort auf eine Weise übersetzt wurde die fraglich sein mag, wurde das ursprünglich japanisch Geschriebene als Fußnote vermerkt.

Diese zwei Faktoren machen diese zu einer Ausgabe des Shobogenzo, das für jemanden der Englisch aber kein Japanisch lesen kann nah dran ist an einer Zauberbrille die es einem ermöglicht das japanische Original zu lesen. Niemand wird es jemals schaffen es auf diese Weise zu tun bis zu dem Tag an dem die englische Sprache selbst sich so verändert, dass diese Version deswegen veraltet sein wird. Entschuldigung. Es ist unmöglich.

Ein Bereich in dem die Tanahashi Version ganz klar überlegen ist, ist in Bezug auf Poesie. Ich muss gestehen, die Nishijima/Cross Ausgabe ist da höllisch schwerfällig. Es opfert einiges der Schönheit des Originals indem es versucht eine sehr grundlegende wortwörtliche Übersetzung durchzuziehen. Tanahashi und sein Co-Übersetzer haben Enormes geleistet in dem sie eine englische Version gemacht haben die singt wie das Original.

Der Grund weswegen ich meine, dass die Tanahashi Edition insgesamt nicht ganz so gut ist bezieht sich auf viele Aspekte dessen wenn man etwas so Persönliches und Intimes wie Zen in einer so großen Institution wie dem SFZC zu studieren versucht. Du kannst die Gründe weswegen ich denke, dass diese Ausgabe nur die zweitbeste ist herausschälen in dem du die Art betrachtest die Sie gewählt haben um das japanische Komposit 結跏趺坐 (kekka fuza) zu übersetzen.

結跏趺坐 (kekka fuza) hat eine klare und absolut unmissverständliche Bedeutung im Englischen. Es bedeutet im Lotussitz zu sitzen (voll, halb oder viertel). Es gibt keine andere mögliche Interpretation. Also reden wir hier nicht von einem Wort welches Nuancen besitzt über die sich Übersetzer streiten könnten. Es ist ein korrektes Substantiv mit einem festgelegten englischen Äquivalent. Das Wort findet im Shobogenzo häufig als Synonym für Zazen Verwendung.

Während der Präsentationen am Montag in Green Gulch hat irgendwer (ich glaube es war Kaz selbst, aber ich bin mir ein wenig unsicher – es ist wahrscheinlich irgendwo in dem Video das ich oben verlinkt habe) etwas darüber erklärt wie die Übersetzung durchgeführt wurde an dem Beispiel wie sie sich entschlossen haben dieses Wort zu übersetzen.

Offensichtlich haben sie es ursprünglich als „mit gekreuzten Beinen sitzen“ übersetzt, was gut ist. Ich glaube das ist die Formulierung die die Nishijima/Cross Version benutzt. Jedoch entstand einiges Gerede im SFZC das bestimmte Leser vielleicht nicht im Stande sind die Lotushaltung einzunehmen und deswegen von so einer Übersetzung abgeschreckt wären. Nach einiger Diskussion wurde beschlossen das 結跏趺坐 (kekka fuza) als „in Meditation sitzend“ übersetzt wird um diejenigen die nicht in der Lotushaltung sitzen können das Gefühl zu vermitteln sie seien eingeschlossen in Dogens Botschaft.

Ich gestehe, dass dies kein massiver Fehler ist. In Wirklichkeit ist es so ziemlich dasselbe. Es verzerrt Dogens Botschaft nicht wesentlich. Aber es verzerrt sie doch.

Es geht mir weniger um die minimale Verzerrung der Botschaft als viel mehr um die Gründe warum die Herausgeber beschlossen Dogens Botschaft zu verändern.

Sie haben es verändert weil sie fühlten, dass die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks die Attraktivität des Buches einschränken könnte. Sie veränderten es auf Grund einer Komitee- Entscheidung.

Die Sache mit der Lotushaltung in Dogens Lehre ist eine über die viele Leute leidenschaftlich streiten. Aber Dogen ist da ziemlich kompromisslos. Im Fukanzazengi (Allgemeine Richtlinien für Zazen) erlaubt er den vollen oder den halben Lotus und das war's. Mein eigener Lehrer Gudo Nishijima erweitert die Bedeutung des halb Lotus dahingehend, dass es das im Westen allgemein als viertel Lotus oder „burmesische Haltung“ bekannte einschließt. Aber Dogen sagt nichts über den Gebrauch von Seiza- Bänkchen oder Stühlen oder über die unzähligen anderen möglichen Sitzhaltungen, denen man in Zen-Zentren in Amerika oder Europa heute begegnet.

Ich musste mir selbst schon einiges anhören weil ich so ein Pedant bin in Sachen Haltung. Aber hier ist ein kleines Geheimnis. Jedesmal wenn jemand zu mir unter vier Augen kommt und mir zeigt, dass er wirklich und wahrhaftig keinen vollen, halben oder viertel Lotus (inkl. Burmesischen) kann, probiere ich immer mit ihnen irgend eine andere Möglichkeit zu erarbeiten. Ich verwette meinen Hintern darauf, dass selbst Meister Dogen dasselbe in der Situation getan hätte. Doch in der Öffentlichkeit rede ich nicht über andere Haltungen.

Der Grund weswegen ich niemals in der Öffentlichkeit über Zazen auf einem Stuhl oder Seiza Bänkchen oder sonstwas rede ist, dass es den Anschein hat, dass sowie man anmerkt, dass es die Möglichkeit gibt solche Dinge zu benutzen sofort die Hälfte der körperlich Geeigneten losflitzen um sich einen Stuhl zu holen damit sie es etwas bequemer haben. Aber im Zazen geht es nicht um Bequemlichkeit. Tatsächlich ist Zazen ohne ein wenig Unbequemlichkeit kein Zazen.

Wie dem auch sei, diese Änderung ist nur eine von mehreren in dem Buch welche diese Einstellung widerspiegeln. Bei einer anderen Gelegenheit wurde Dogens Ausspruch „der königliche Bodhi-Baum“ verändert zu „der glorreiche Bodhi-Baum“ um weniger sexistisch zu erscheinen. Ich bin mir sicher, dass weitere solche Änderungen reichlich vorhanden sind. Sie verändern die grundlegende Bedeutung Dogens Prosa nicht wirklich, doch verändern tun sie sie, und zwar aus Gründen die mir etwas lächerlich erscheinen.

So etwas passiert wenn ein Komitee mit dabei ist. Gudo Nishijima und Mike Cross hatten solche Probleme nicht. Es waren nur zwei Leute in die wesentliche Übersetzung involviert und drei oder vier andere beim Lektorat.

Was hier mit der neuen Ausgabe des Shobogenzo passiert ist, ist zudem lehrreich beim Verständnis des Unterschiedes ob Zen in einer großen Institution studiert wird oder in einer überschaubaren Umgebung. Ich bin ein großer Fan des San Francisco Zen Center. Ich mag was sie leisten und ich freue mich sie zu unterstützen. Oftmals empfehle ich Leuten zum SFZC, Tassajara und Green Gulch zu gehen. Es sind gute Orte. Dort sind gute Leute.

Aber die Wahrheit ist, wären das SFZC und vergleichbare Institutionen die einzigen Orte gewesen von denen ich wusste, dass man dort Zen studieren kann, hätte ich wahrscheinlich höchstens ein Jahr durchgehalten. Das ist nicht meine Art von Szene.

Ist der eine Weg besser und der andere schlechter? Ich kann nur für mich selbst reden. Ich empfinde die Nishijima/Cross Ausgabe des Shobogenzo als die Beste. Das bedeutet nicht, dass ich jede andere Ausgabe hasse. Aber nur eine Ausgabe kann die beste sein. Insofern es Lehrstile betrifft bin ich mit der Form des Zen gegangen die für mich am besten geeignet schien. Hätte ich empfunden, dass es nicht zu mir gepasst hätte, wäre ich woanders hingegangen.

Nur um an dieser Stelle absolut klar zu sein, die Kazuaki Tanahashi Übersetzung des Shobogenzo ist eine herausragende Leistung. Hier ist ein guter Artikel wie das Ganze zu Stande kam. Es ist eine wirklich, wirklich herausragende Übersetzung. Ich kann es nur mit Nachdruck empfehlen. Ich habe $150,- für meine Kopie ausgegeben und ich kann mir heutzutage solche Sachen eigentlich nicht erlauben. Ich habe es getan weil ich es echt gut finde.

Aber es ist trotzdem nicht die Beste!

LINKS

Sit Down and Shut Up: Punk Rock Commentaries on Buddha, God, Truth, Sex, Death, and Dogen's Treasury of the Right Dharma Eye von Brad Warner

Master Dogen's Shobogenzo Book 1 übersetzt von Gudo Nishijima und Chodo Cross

Master Dogen's Shobogenzo Book 2 übersetzt von Gudo Nishijima und Chodo Cross

Master Dogen's Shobogenzo, Book 3 übersetzt von Gudo Nishijima und Chodo Cross

Master Dogen's Shobogenzo, Book 4 übersetzt von Gudo Nishijima und Chodo Cross

Enlightenment Unfolds von Dogen, übersetzt von Kazuaki Tanahashi

Moon in a Dewdrop: Writings of Zen Master Dogen übersetzt von Kazuaki Tanahashi

Treasury of the True Dharma Eye: Zen Master Dogen's Shobo Genzo übersetzt von Kazuaki Tanahashi

Free digital download of the Nishjima/Cross edition of Shobogenzo in PDF format



1 Kommentar:

Saskia Brauer hat gesagt…

So ein wunderschöner und informativer Artikel! Vielen, vielen Dank