Mittwoch, 21. Februar 2007

ZU GUT

In der Kommentarspalte meines neusten Artikels für Suicide Girls habe ich diesen Text hier veröffentlicht. Der SG Artikel endet mit dem folgenden Absatz:

„Ich würde niemals behaupten, ich hätte Die Antwort für das Problem der Depression. Aber ich kann sagen, was mir geholfen hat, und was mir immer noch hilft. Es ist keine so einfache und schnelle Lösung wie jeden Tag ein paar Pillen zu schlucken. Aber auf lange Sicht ist es besser zu lernen, wie man mit sich selbst umgeht, anstatt die ganze Arbeit Medikamenten zu überlassen. Zumindest wirst du so nie vergessen, dein Rezept einzulösen. Dennoch, die Lösung, die mir geholfen hat, erfordert es, sich gegen das zu entscheiden, was die meisten Menschen als „normale“ Lebensweise und „normalen“ übermäßigen Luxus betrachten. Wenn du bereit bist, dieses Opfer zu bringen, wirst du sehen, dass es eigentlich gar kein Opfer ist.“

Auf der Suicide Girls Seite ärgerten sich einige Leute über meine Haltung gegenüber Medikamenten als Mittel zur Behandlung von Depressionen. Obwohl ich dachte, mein Text wäre sehr klar, und obwohl einige der Kommentierenden es verstanden haben, habe ich beschlossen, trotzdem einige klärende Worte hinzuzufügen.

Aber bevor du anfängst zu lesen, möchte ich darauf hinweisen, dass ich nicht daran interessiert bin über den Wert der von Psychiatern verschriebenen Medikamente zu diskutieren. Über das Thema wird schon genug diskutiert. Langweilig! Wenn du darüber debattieren willst, ist das in Ordnung. Erwarte nur nicht, dass ich in die Diskussion einsteige.

Ich bin jedoch an Meister Nishijimas Idee interessiert, der zufolge manche Dinge “zu gut” sind. Und das ist es, worüber ich hier einen Kommentar schreiben möchte. Hier nun (mit ein paar kleineren Veränderungen) das, was ich geschrieben habe:

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Als ich die Zeile schrieb, dass Zazen besser gegen Depressionen hilft, als Pillen zu schlucken, stellte ich mir keine Person mit lähmender, ernster Depression vor, die erst zu den Medikamenten greift, nachdem alles andere erfolglos war. Manchmal ist die medikamentöse Lösung der einzige Weg, um mit einem Problem umzugehen, das zu ernst geworden ist, als dass man es auf anderem Wege behandeln könnte. Wenn ich einen Autounfall hätte, oder man bei mir Krebs diagnostizieren würde, würde ich einen Arzt sehen wollen, und keinen Zen Meister.

Aber bei dem Haufen Geld, das die Pharmakonzerne in die Entwicklung von neuen Märkten für ihre Mittelchen stecken, sieht es für mich oft so aus, als ob eine ganze Generation von Amerikanern darauf hereingefallen ist, zu glauben, sie könnten unmöglich ihr Leben bewältigen, ohne ihre Gehirnchemie künstlich zu verändern. Die Werbung für diese Stärkungsmittel lässt es so klingen, als ob jeder Fall eines existentiellen Überdrusses nach einer Dosis Prozac® oder Paxil® schreit, damit du ja nicht beginnst, die Gesellschaft infrage zu stellen, in die du dich dank der Medikamente erfolgreich einfügen sollst.

Dennoch ist es mir nicht möglich zu erkennen, was die Leute bewegt, die sich über das, was ich gesagt habe aufgeregt haben. Vielleicht waren sie unter den seltenen Fällen, deren Lage so ernst ist, dass Medikamente die wirkliche einzig vernünftige Lösung waren. Ohne sie würden diese Leute vielleicht ihre Schule zusammenschießen oder Pop Stars und Politiker entführen. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht beurteilen.

Ich kann nicht über andere sprechen. Aber Folgendes kann ich über mich sagen. Ich bin dankbar dafür, dass ich durch meine Pubertät kam, bevor Antidepressiva vollständig entwickelt waren, und dass ich in meinen Zwanzigern zu arm war, um mir eine psychiatrische Behandlung zu leisten, denn ich habe keinen Zweifel daran, dass man mir Medikamente verschrieben hätte, um meine Depression zu lindern. Wäre ich diesen Weg gegangen, wäre ich vielleicht niemals dazu gezwungen worden, nach dem tieferen Grund meines Leids zu suchen.

Ich bezweifle nicht die Wirksamkeit der medikamentösen Behandlung. Aber zu sagen, sie sei wirkungsvoll, bedeutet, dass sie die erwünschte Wirkung erzielt. Ich frage mich, ob der Effekt, den wir uns wünschen, immer das ist, was wir wirklich brauchen. Ich war es gewohnt, in fast wöchentlicher Regelmäßigkeit an starken Kopfschmerzen zu leiden. Hohe Dosen an Ibuprofen waren eine effektive Gegenmaßnahme. Ich nahm die Pillen und der Schmerz verschwand. Mein Vertrauen auf die magische Lösung der Advil Korporation hielt mich davon ab, mich um die wahren Ursachen meiner Kopfschmerzen zu kümmern. Außerdem machte es meine Kacke hart wie Stein, eine Auswirkung, mit der ich selbst heute noch zu tun habe. Die tolle Werbung im Fernsehen scheint das niemals zu erwähnen, oder?

Erst als ich damit aufhörte, so viel Medikamente zu nehmen und anfing zu versuchen, an das wahre Problem zu kommen, war ich dazu imstande, die Probleme zu lösen, die wirklich gelöst werden mussten. Es gibt Zeiten, in denen Schmerz, gerade emotionaler Schmerz, ein Signal dafür ist, dass etwas Wichtiges direkt angegangen werden muss. Meine Erfahrung ist, dass Medikamente sehr effektive Mittel sein können, die Konfrontation mit dem, was wirklich schief läuft, zu vermeiden.

Einmal, als mein Zen Lehrer, Meister Nishijima, seinen Rücken verletzt hatte, brachte einer seiner Schüler ein Ding mit, das wie ein Heizkissen aussah und das dazu bestimmt war, eine Art von heilender elektrischer Energie in die Muskeln zu schießen. Nachdem der Schüler ihn lange Zeit bearbeitet hatte, probierte Nishijima das Gerät schließlich aus. Sein Urteil war, dass die Maschine „zu gut“ war, und er es bevorzugen würde, die Verletzung auf natürliche Weise heilen zu lassen. Ebenso denke ich, dass die meisten unserer Medikamente „zu gut“ sind. Sie sind gut, wenn du eine schnelle Hilfe für ein sehr ernstes Problem brauchst. Aber wann immer es möglich ist, ein natürlicheres Verfahren anzuwenden, ist dies immer besser. Selbst wenn es länger braucht und weniger „effektiv“ erscheint – was bedeuten würde, dass die Lösung nicht genau das ist, was wir uns gewünscht oder vorgestellt haben.

Link zum Originaltext


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