Donnerstag, 4. Mai 2006

Lehrplan Schwerplan

Zurück zu den Fragen der lieben Leute von St. Paul. Das hier ist eine komische. Es ist Frage Nummer 3, für all jene, die zu Hause mitzählen.

"Welchen Wert hat ein Lehrplan und ein bewährter Ablauf gegenüber einem unabhängigeren Eingehen auf die Entwicklung einzelner Schüler in ihrer Art des Lehrens."

Bitte was jetzt? Ich mein, ich weiß, wo diese Frage herkommt, aber ich musste mich niemals wirklich mit so etwas beschäftigten.

Nach der Vorstellung der meisten Leute wird man dadurch zu einer religiösen Autorität, indem man Seminare, oder was es sonst noch alles gibt, besucht, all die anerkannten Bücher liest und die benötigten Stunden in jede, von der Organisation verlangte, Übung investiert. Danach macht man seinen Abschluss und bekommt so´n offizielles Zertifikat, mit dem der Verwaltungsrat der Organisation offiziell zustimmt, eine eigene Gemeinde in ihrem Namen führen zu können. Das ist in etwa das heutige westliche Modell dafür, wie es funktioniert.

Heutzutage existiert mehr oder weniger dasselbe Modell in Japan und, so nehme ich an, in anderen buddhistischen Ländern. Einer der Wege ein Zen-Meister der Soto Schule zu werden ist, in einen der Ausbildungstempel zu gehen, die offiziell von der Soto-shu anerkannt sind - dem Verwaltungsgremium, das solche Dinge offiziell anerkennt. Du folgst ihrem Lehrplan, nimmst alle Hürden und am Ende bekommst du dein Zertifikat.

Aber es gibt noch einen anderen Weg um das zu erreichen. Schau, jeder der durch diesen Prozess geht, hat danach die Autorität, seine oder ihre eigenen Nachfolger zu wählen. Diese Nachfolger müssen nicht unbedingt demselben Lehrplan folgen, wenn der Lehrer es nicht für notwendig hält. Wenn jemand auf diese Art ein Zen-Meister wird, kann er oder sie (doch da ich grundsätzlich über mich selbst rede, überspringen wir das von hier an) im offiziellen Soto-shu-Register der Lehrer landen, muss aber nicht. Ob das nun wichtig ist oder nicht hat der Zen-Meister selbst zu entscheiden.

Ich kann verstehen, warum sich das System für viele Leute völlig blödsinnig anhört. Stell dir mal vor, dein örtlicher Gemeindepfarrer könnte jeden den er will zum Erzbischof ernennen. Was für ein Chaos! Welche Empörung! Dennoch, das System scheint im Zen Buddhismus prima zu funktionieren. Freilich, ein paar Spinner haben es geschafft eine Dharma Übertragung zu ergattern. Nur schau dir mal an, was in manch anderen religiösen Organisationen passiert ist, die ein viel sorgfältiger verwaltetes System haben. Ich denke, man kann nicht sagen, dass es im Zen schlechter läuft, obwohl hier ein etwas organischerer Ablauf der Dinge erlaubt ist.

Die Leute in St. Paul, wie Buddhisten im ganzen Land, sind beunruhigt, was die Zukunft des amerikanischen Buddhismus angeht. Sie wollen Standards einrichten, so dass man bei jedem der die Roben trägt und sich selbst einen buddhistischen Lehrer nennt darauf zählen kann, dass er einen spezifischen Teil der Lehren gemeistert hat und in einer bestimmten Art und Weise ausgebildet wurde, damit sichergestellt ist, dass er den Geist dieser Lehren pflegt. Oh, wenn es doch nur so einfach wäre ...

Das Problem ist: Egal wie sorgfältig du deine Standards einrichtest, irgendjemand wird sie brechen, indem er sich wie ein totales Arschloch benimmt. Und auch wenn dass nicht passiert, gibt es genauso viele Möglichkeiten zur Interpretation deiner Standards, wie es Leute gibt, die diese Standards lesen. Du kannst also niemals jeden zufrieden stellen, so sehr du es auch versuchst. Was nicht heißt, dass du es nicht versuchen sollst. Nur solltest du dies von vornherein wissen.

Doch um zur Frage zurückzukehren, Du willst wissen, wie ich damit umgehe? Ich habe es einfach nicht so mit dem ganzen Lehrplan-Ding. Ich könnte mich hinsetzen und eine Liste mit Büchern einfallen lassen, die man unbedingt lesen muss, und vielleicht noch eine Liste mit Dingen, die du unbedingt getan haben musst, bevor du einen Satz Roben bekommst. Aber solche Dinge interessieren mich nicht wirklich. Außerdem habe ich es so ohnehin nicht gemacht. Ich würde mich bei der ganzen Sache ein wenig unecht fühlen. Und ich verlange von meinen Studenten nicht, dass Sie Bass in Punk Rock Bands gespielt, oder in schlechten japanischen Filmen Dinosaurier Kostüme aus Gummi getragen haben, bevor sie ihre Roben bekommen.

Doch was die eher standardmäßigen Lehrpläne angeht, - ich meine, schau - das Shobogenzo ist ein wundervolles Buch, aber offen gesagt, ich kenne Leute die das Shobogenzo Dutzende Male gelesen und dessen Lehren trotzdem noch nicht mal im Ansatz verinnerlicht haben, während ich andere Leute kenne, die sogar noch nie etwas von dem verdammten Ding gehört haben, trotzdem aber weitaus bessere Menschen sind als die meisten, die es bis zum Umfallen studiert haben. Es gibt Leute, die sich durch anerkannte buddhistische Übungen praktiziert, geschunden und gekämpft haben, mit denen ich nicht mal einen Nachmittag verbringen wollte, weil sie so komplett unausstehlich sind (die meisten buddhistischen Gelehrten sind außergewöhnlich nette Leute, ich nenne nur die Ausnahmen, um meine Idee rüber zu bringen). Ich glaube nicht, dass ich mit einem besseren Lehrplan aufwarten könnte, um sicherzustellen, dass jeder der ihm folgt ein anständiger Mensch wird.

Ein weiteres großes Problem ist, dass du, wenn du einmal so einen Lehrplan erstellt hast, in Wirklichkeit damit sagst: "Mach dieses Zeug und wenn du damit fertig bist, werde ich dich mit ein paar Roben belohnen und du kannst dich mein Nachfolger nennen". Warum sonst sollte jemand Jahre seines Lebens mit der Befolgung einer solchen Sache verschwenden? Ich kann mir nicht vorstellen, irgendein unausstehliches Arschgesicht zu sanktionieren, nur weil er es durch einen spezifischen Studien- und Übungsplan geschafft hat.

Die einzige Art jemals jemanden zu meinem Nachfolger zu machen wäre, dass ich über mehrere Jahre einen Haufen Zeit mit dieser Person verbringen würde, um absolut sicher zu sein, dass sie aufrichtig ist und für die Sache lebt und nicht Gefahr läuft ein totales Arschloch zu werden, sobald ich ihr meinen Rücken zukehre. Also ich denke, das bedeutet, dass ich ein von Lehrplänen unabhängiges, „individuelles Eingehen auf die Entwicklungen des Schülers“ bevorzugen würde, und es mir scheißegal wäre, ob die Person sich durch einen Lehrplan hindurch gekämpft hat, selbst wenn ich derjenige wäre, der ihn entworfen hat.


(Link zum Originaltext)